Montag, 19. Januar 2015

Der Operationsverstärker, Teil 2

Im zweiten Teil der Operationsverstärker-Serie geht es um Mitkopplung und die dadurch ermöglichten Schmitt-Trigger. Sie erlauben es, Schaltungen mit Gedächtnis zu bauen, die bestrebt sind, ihren aktuellen Zustand beizubehalten.


Ab hier wird übrigens die Betriebsspannung UB nicht mehr für jeden OPV eingezeichnet. Dadurch werden die Schaltpläne etwas übersichtlicher. Ein Pfeil nach oben steht für die Betriebsspannung, ein waagrechter Balken für 0 V.

Einfache Schmitt-Trigger


Ein Schmitt-Trigger funktioniert so ähnlich wie ein Komparator: Er vergleicht eine Eingangsspannung Ue mit einer Referenzspannung Ur. Doch während der Komparator nur eine Schwelle kennt, an der er umschaltet, hat der Schmitt-Trigger zwei: Erst wenn die Eingangsspannung Ue die obere Schwelle U1 überschreitet, schaltet er ein; erst sie die untere Schwelle U2 unterschreitet, schaltet er aus. Zwischen den Schwellen behält er stets seinen aktuellen Zustand bei. Dies bezeichnet man als Hysterese. 

Nichtinvertierender Schmitt-Trigger

Dazu dient uns der Spannungsteiler aus R1 und R2. Ist der Schmitt-Trigger eingeschaltet, ist die Spannung am nichtinvertierenden Eingang etwas höher als Ue, andernfalls niedriger. So wird die Schaltschwelle je nach Betriebszustand verändert. Die Schwellenwerte erechnen sich folgendermaßen:

U1 = Ur + (Ua,max - Ur)*R2/(R1+R2) ≈ Ur + (Ub - 1,5V - Ur)*R2/(R1+R2)
U2 = Ur + (Ua,min - Ur)*R2/(R1+R2) ≈ Ur * [1 - R2/(R1+R2)]

Normalerweise legen wir aber erst die Schaltschwellen fest und wählen danach Ur, R1 und R2. Die absoluten Werte der Widerstände sind unwichtig, aber das Verhältnis R2/(R1+R2) muss stimmen. Es berechnet sich so:

R2/(R1+R2) = (U1 - U2)/Ua,max ≈ (U1 - U2)/(Ub - 1,5V)

Die Widerstände wählen wir natürlich hochohmig, um nicht unnötig Strom zu verbrauchen. Außerdem wollen wir, dass das Eingangssignal Ue möglichst wenig vom Strom durch die Widerstände beeinflusst wird. Werte im oberen kΩ- oder unteren MΩ-Bereich sind optimal. Danach muss noch die Referenzspannung Ur festgelegt werden.

Ur = U2 / [1 - R2/(R1+R2)]

In der Regel wird Ur durch einen weiteren Spannungsteiler eingestellt. Damit ist der Schmitt-Trigger einsatzbereit.

Invertierender Schmitt-Trigger


Ähnlich wie beim Komparator können wir die Eingänge vertauschen, wenn wir das Signal invertieren wollen.

Invertierender Schmitt-Trigger

Die Schaltschwellen berechnen sich wie oben. U1 ist die Spannung, bei der der Schmitt-Trigger ausschaltet. Bei U2 schaltet er wieder ein.

Um unsere zweite Referenzspannung Ur zu erzeugen, brauchen wir auch hier einen Spannungsteiler. Da über R1 und R2 Strom fließt, wird dieser belastet und hält die Referenzspannung nicht exakt. Diesem Problem werden wir noch bei weiteren Schaltungen begegnen. Eine Stern-Dreieck-Transformation löst es.

Stern-Dreieck-Transformation


Ein Spannungsteiler, der sich von seiner Last nicht stören ließe, müsste sehr niederohmig sein. Doch dadurch stiege der Stromverbrauch unnötigerweise an. Besser ist es, wir nutze eine Stern-Dreieck-Transformation und sparen auf diese Weise sowohl Strom als auch einen Widerstand ein.

Stern-Dreieck-Transformation

Eine Sternschaltung von drei Widerständen lässt sich in eine Dreieckschaltung überführen (und umgekehrt), solange am Sternpunkt kein weiteres Element angeschlossen ist. Die benötigten Gleichungen sind:

Rab = (RaRb + RbRc + RaRc)/ Rc
Rac = (RaRb + RbRc + RaRc)/ Rb
Rbc = (RaRb + RbRc + RaRc)/ Ra

Der Vollständigkeit halber sind hier auch die Gleichungen für die Rücktransformation:

Ra = RabRac / (Rab + Rac + Rbc)
Rb = RabRbc / (Rab + Rac + Rbc)
Rc = RacRbc / (Rab + Rac + Rbc)

Für unseren Schmitt-Trigger wählen wir unseren Spannungsteiler so niederohmig, dass die Widerstände R3 und R4 gegen 0 gehen. Ihr Verhältnis muss natürlich weiterhin stimmen. Die Verlustleistung wäre jetzt unendlich hoch. Also transformieren wir.

Vereinfachung des invertierenden Schmitt-Triggers durch Stern-Dreieck-Transformation

Nachdem wir den Stern in ein Dreieck verwandelt haben, finden wir zwei hochohmige Widerstände R23 und R24 vor, die unserer Schmitt-Trigger benötigt. Die Verlustleistung konzentriert sich hingegen auf R34. Er wird aus der Schaltung eliminiert. So ist der Zielkonflikt zwischen Präzision und Effizienz aufgelöst.

Präzisions-Schmitt-Trigger


Bei den einfachen Schmitt-Triggern kann man U1 und U2 nicht unabhängig voneinander einstellen; ändert man eine von beiden, müssen Ur, R1 und R2 neu berechnet werden. Dieses Problem löst man, indem man den Schmitt-Trigger um zwei Komparatoren ergänzt.

Präzisions-Schmitt-Trigger

Der obere Komparator gibt die Einschaltschwelle vor, der untere die Ausschaltschwelle. Für die Widerstände R1-5 spart man sich Rechenaufwand, indem man alle gleich groß wählt. Höhere Werte, z.B. 1 MΩ, sind vorteilhaft.

Diesen Schmitt-Trigger kann man invertieren aufbauen, indem man bei den beiden Komparatoren die Eingänge vertauscht. Alternativ kann man den einfachen Schmitt-Trigger durch einen invertierenden ersetzen.

Anwendung: Zeitschalter mit Hysterese


Der Monoflop von letzter Woche kann zum Schmitt-Trigger erweitert werden. Dadurch gibt es kein sanftes Überblenden mehr, er schaltet hart ab.

Monoflop mit Schmitt-Trigger

Bei einem Poti von 100 kΩ sollte R4 etwa 220 kΩ haben.

Anwendung: Rechteckgenerator


Wenn man den invertierenden Schmitt-Trigger mit einem RC-Glied kombiniert, erhält man einen Oszillator. Der Kondensator C wird so lange über R4 aufgeladen, bis die Ausschaltschwelle erreicht ist. Danach wird der so lange entladen, bis die Einschaltschwelle erreicht ist. Der Vorgang setzt sich endlos fort.

Rechteckgenerator

Diesen Oszillator habe ich bei meinem Wechselblinker für Bahnübergänge benutzt. Er ist vielseitig anwendbar. Man kann sogar das Tastverhältnis, also den Anteil der Periodendauer, während dem der Ausgang eingeschaltet ist, vorgeben. Ich werde die benötigten Formeln hier noch einfügen.

Auf wellige Betriebsspannung reagiert der Oszillator mit einer Erhöhung der Frequenz. Ein Nachteil ist, dass der erste Puls beim Einschalten etwas länger dauert als die folgenden.

Anwendung: Ampel für Bahnübergänge


Die Pendelblinker vergangener Epochen werden heutzutage durch Ampeln ersetzt. Auch dafür lässt sich mit dem LM324 eine geeignete Schaltung aufbauen. Wenn sich ein Zug dem Bahnübergang nähert, schaltet er über ein Kontaktgleis die Ampel zunächst auf gelb. Nach einer festgelegten Verzögerung (ca. 3s) wird Gelb ausgeschaltet und Rot aktiviert. Sobald der Zug die Kontaktstrecke verlassen hat, erlischt das rote Licht, ohne dass das gelbe noch einmal aufleuchtet.

Ampelschaltung für Bahnübergänge

R1,2,5 = 220 kΩ, R3,4 = 330 kΩ, R6 = 100 kΩ,
R7 = 4,7 MΩ, R8,9,10 = 1 MΩ, R11,12 = 2,2 kΩ,
C1 = 100 nF, C2 = 10 µF

Links oben (OP1) sehen wir einen Monoflop, wie er letzte Woche vorgestellt wurde. Die Diode D1 stellt die Verbindung zu einem Kontaktgleis her. (Zweileiterbahner müssen die Schaltung hier abwandeln, je nachdem, wie sie den Bahnübergang ansteuern wollen.) Es wird zwar nur eine Halbwelle zur Gleisbesetztmeldung genutzt, doch der Monoflop macht daraus ein kontinuierliches Signal und lädt den Kondensator C2.

Die übrigen Operationsverstärker bilden einen Präzisions-Schmitt-Trigger mit der Besonderheit, dass dessen unterer Komparator OP3 seinerseits als Schmitt-Trigger beschaltet wurde. Dies wurde nötig, da an diesem OPV auch die gelbe LED hängt. Sobald die Spannung an C2 hoch genug ist, wird sie eingeschaltet.

OP3 bleibt auch bis zum Ende des Zyklus eingeschaltet, doch wenn die obere Schwelle des Präzisions-Schmitt-Triggers erreicht ist, schaltet OP4 die rote LED ein. Die gelbe erlischt, da an ihr nun keine Spannung mehr abfällt.

Wenn der Zug die Kontaktstrecke verlassen hat, wird C2 wieder entladen. OP3 und OP4 schalten gleichzeitig ab. So wird vermieden, dass das gelbe Licht noch einmal aufleuchtet. Wäre OP3 kein Schmitt-Trigger, würde schon eine leichte Welligkeit der Betriebsspannung bewirken, dass die gelbe LED noch einmal kurz aufflammt.

Versuchsexemplar der Ampelschaltung. R5 wurde um ein Poti ergänzt,
um die Dauer der Gelbphase justieren zu können.

Ein preisgünstiges Fertigprodukt für die Ampel kenne ich leider nicht. Vielleicht weiß hier ein Leser mehr als ich und kann weiterhelfen. Andernfalls werde ich mich wohl am Selbstbau versuchen müssen. Wer lieber eine filigrane Sonderanfertigung haben möchte, könnte sich an das Modellbahnwerk wenden. Meine Preisklasse ist das jedoch nicht.

Ausblick


Nächste Woche geht es um Gegenkopplung. Sie ist die Voraussetzung für Verstärker und viele  Signalgeneratoren. Mit Mitkopplung kann man allerdings noch viel mehr, beispielsweise Spannungen addieren, substrahieren, integrieren, differenzieren, logaritmieren etc. Das geht allerdings weit über die Anforderungen heraus, die sich bei der Modellbahn ergeben.

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