Montag, 24. August 2015

Wie ein Doppelspulenantrieb funktioniert

Für die Wirkungsweise eines Doppelspulenantriebs gibt es viele Erklärungen, die praktischerweise auch dem Laien verständlich scheinen. Unpraktischerweise decken sich nicht alle von ihnen mit der Realität.  Manchmal möchte man die Dinge etwas genauer verstehen und beispielsweise wissen, warum die Weichenantriebe ihre Eigenheiten haben - und welche Abhilfe möglich ist, falls diese sich als unerwünscht herausstellen.


Hier gibt es also ein wenig Physik für die, die Ahnung haben wollen, ohne gleich ein Elektrotechnikstudium zu betreiben:

Der magnetische Kreis


Jeder Magnet, ob Elektro- oder Dauermagnet, ist eine Durchflutungsquelle. Das bedeutet, er ruft in seiner Umgebung ein Magnetfeld hervor, dessen Gestalt und Intensität von der Beschaffenheit dieser Umgebung abhängt. Wir können uns einen magnetischen Kreis ähnlich einem Stromkreis vorstellen. Die Durchflutungsquelle entspricht der Spannungsquelle.

Das Gegenstück zum elektrischen Strom ist der magnetische Fluss. Da er sich, anders als Strom, selten auf einen dünnen Leiter konzentriert, sondern den Raum durchdringt, ist es meistens zweckmäßig, mit der Flussdichte zu rechnen, also dem Fluss pro Flächeneinheit an einer beliebigen Stelle im Raum.

Die Leiter im Stromkreis sind alle Stoffe mit hoher Permeabilität. Dies sind ferromagnetische Stoffe wie Eisen, Kobalt, Nickel und viele ihrer Legierungen. Interessanterweise sind nicht alle Materialien, von denen man es erwarten würde, ferromagnetisch. Viele Edelstahlsorten sind es nicht. Obwohl es große Unterschiede in der Permeabilität gibt, bekommt man oft auch dann realistische Ergebnisse, wenn man für Eisenteile unendlich hohe Permeabilität annimmt, so wie man auch in einem Stromkreis die Drähte meistens als verlustlos annimmt.

Alle Stoffe mit geringer Permeabilität entsprechen den Widerständen in unserem magnetischen Kreis. Man unterscheidet noch dia- und paramagnetische Stoffe, je nachdem ob ihre Permeabilität kleiner (Diamagnet) oder größer (Paramagnet) ist als die des Vakuums. Die meisten para- und diamagnetischen Stoffe sind sich in ihrer Permeabilität so ähnlich, dass wir sie wie Vakuum behandeln können, egal ob es sich nun um Luft, Kunststoff, Kupfer oder Papier handelt.

Ein Magnetfeld bildet sich nur in Materialien mit niedriger Permeabilität aus. Es ähnelt insofern einer elektrischen Spannung, die auch nur dort bestehen kann, wo sie nicht durch einen Leiter kurzgeschlossen wird.

Aufbau eines Antriebs


Unsere Weichenantriebe bestehen aus zwei Spulen, dem beweglichen Anker aus Eisen sowie einem Gehäuse aus Eisenblech. Die Spulen sitzen auf einem Wickelkörper aus Kunstsstoff, der nur zur mechanischen Führung dient und keinen Einfluss auf den magnetischen Kreis hat.

Aufbau eines Doppelspulenantriebes. Nicht dargestellt ist die
Zug-/Schubstange, die die Stellkraft überträgt.

Der magnetische Fluss wird den Weg des geringsten Widerstandes gehen, und der führt über möglichst kurze Luftspalte durch das Eisenblech.

Magnetischer Fluss bei bestromter linker Spule, Streuflüsse ausgenommen


Die Feldlinien sind stets geschlossen, d. h. der Fluss, der von der Durchflutungsquelle ausgeht, ist gleich dem, der zu ihr zurückkehrt.

Magnetischer Fluss bei bestromter linker Spule, Streufluss
infolge von Sättigung des Gehäuseblechs und innerhalb der Spule

Für die Wirkung des Antriebs ist der magnetische Fluss wichtig, der den Anker durchsetzt. Streuflüsse gibt es innerhalb der Spule, wo sich Feldlinien um die Wicklung schließen, ohne ein Eisenteil zu durchqueren. Es kann auch zu Streuflüssen außerhalb des Antriebskastens kommen, falls dieser falsch dimensioniert ist. Bei hoher Flussdichte sättigen nämlich hochpermeable Materialien. Sie verhalten sich ab dann wie Paramagneten.

Die Reluktanzkraft


Jedes System in der Natur ist bestrebt, den energieärmsten Zustand anzunehmen. Eine Spule speichert Energie (W) in ihrem Magnetfeld, und zwar um so mehr, je größer der Strom (I) ist. Die Induktivität (L) der Spule ergibt sich aus ihrem Aufbau, speziell aus ihrer Windungszahl sowie aus Form und Material der beteiligten Eisenteile. Die magnetische Koenergie (W*) ist eine Hilfsgröße, die es erlaubt, die Antriebskraft zu berechnen.

W = W* = 0,5 L I2

Die Induktivität ist eine Funktion der Windungszahl (N) und der Reluktanz (Rm), die ihrerseits von der Lage des Ankers in der Spule abhängt.

L = N2/ Rm

Die Änderung der Induktivität kann übrigens elektronisch auswertet werden. So kann auch ohne Endschalter die Lage des Ankers in seiner Spule erkannt werden. Der Baustein WRM-4 von Tams funktioniert nach diesem Prinzip.

Der Betriebsstrom unseres Antriebs wird im Wesentlichen durch den ohmschen Widerstand der Spule bestimmt. Bei Wechselspannung ist auch die Induktivität von Bedeutung, aber solange die Frequenz niedrig ist, können wir sie vernachlässigen. Andererseits darf man sich nicht wundern, dass der Antrieb nicht funktioniert, wenn man ihn direkt mit der digitalen Fahrspannung betriebt. Dessen Frequenzen sind nämlich so hoch, dass der Blindwiderstand der Spule gegenüber dem ohmschen Widerstand in den Vordergrund tritt.

Aus der magnetischen Koenergie lässt sich die Antriebskraft (F) berechnen. Sie entspricht der Ableitung der magnetischen Koenergie nach dem Ort x.

F = - dW* /dx

Und warum rechnet man überhaupt mit der Koenergie und nicht mit der im Magnetfeld gespeicherten Energie? Weil die beiden Größen bei nichtlinearen Systemen nicht mehr identisch sind. Und nichtlinear wird unser magnetischer Kreis, sobald wird uns der Sättigungs-Flussdichte annähern.

Ich möchte nun nicht auf die Berechnung der Reluktanz und ihre Abhängigkeit von der Lage des Ankers eingehen. Mit Stift und Papier kommt man hier ohnehin nur auf grobe Näherungen. Für ein einigermaßen präzises Ergebnis bräuchte man Feldsimulationen oder Messungen. Für den Modellbahner ist wichtig, dass die Kraft über den Weg nicht konstant ist, und dass der Zusammenhang zwischen Spulenstrom und Antriebskraft quadratisch ist. Das erklärt, warum ein schlecht schaltender Weichenantrieb oft schon mit einer kleinen Erhöhung der Betriebsspannung viel zuverlässiger schaltet.

Die Dimensionierung der Spule


Wenn der Antrieb nicht stark genug ist, muss die Durchflutung (Θ) gesteigert werden. Sie berechnet sich nach der Windungszahl (N) und dem Strom (I).

Θ = I N

Der Strom wird seinerseits vor allem durch die Betriebsspannung (U) den ohmschen Widerstand (R) des Spulendrahts bestimmt. Großen Spielraum haben wir bei Drahtquerschnittsfläche (A) und Drahtlänge (l). Der spezifische Widerstand (ρ) von Kupfer muss hingenommen werden, da Materialien mit geringerem Widerstand sehr teuer sind.

I = U / R = U A / (l ρ)

Die Drahtlänge ergibt sich aus der Windungszahl und der Länge (lW) einer Windung, die ich hier vereinfachend als konstant ansehe. Tatsächlich sind die äußeren Windungen ein wenig länger als die inneren.

l = lW N

Der Bauraum ist meistens beschränkt, da der Antrieb neben oder unter das Gleis passen muss. Wenn wir Drähte mit größerem Querschnitt wählen, haben weniger Windungen Platz. Daher lässt sich die Windungszahl aus der Gleichung herauskürzen.

Θ = U A N / (lW N ρ) = U A / (lW ρ)

Wir sehen also, dass die Durchflutung linear mit dem Drahtquerschnitt wächst. Können wir also einen beliebig dicken Draht wählen? Keinesfalls. Mit dem Strom steigt nämlich auch die Verlustleistung (P).

P = U2 / R = U2 A / (lW N ρ)

Fazit: Um bei begrenzten Abmessungen die maximale Stellkraft zu erreichen, muss ein großer Drahtquerschnitt gewählt werden. Das steigert jedoch den Stromverbrauch und damit die Abwärme des Antriebs.

Das erklärt, warum die Antriebe des C-Gleises Endschalter benötigen. Mit ihrem geringen Spulenwiderstand (ca. 12 Ω) würden sie sich bei Dauerstrom sehr schnell aufheizen. Außerdem ist das Gleisbett aus Kunststoff nicht geeignet, um Verlustwärme abzuführen. Beim M-Gleis beträgt der Widerstand etwa 30 Ω und Wärme kann besser abgeführt werden. So konnte man lange auf Endschalter verzichten - was nicht heißt, dass diese Antriebe komplett immun gegen Überhitzung wären.

Vor- und Nachteile


Für den Doppelspulenantrieb spricht sein einfacher Aufbau. Außer Eisenblech und Kupferdraht wird kaum Material benötigt. Zur Bedienung reichen zwei Taster. Auch mechanisch sind Doppelspulenantriebe sehr robust und verkraften locker eine sechsstellige Anzahl von Schaltvorgängen. Leider kann man dies von den Endschaltern nicht unbedingt sagen.

Schwäche des Antriebs ist, dass bei beschränktem Bauraum mit hohen Strömen gearbeitet werden muss. Entsprechend fällt auch viel Abwärme an, die schlimmstenfalls zur Zerstörung des Antriebs führen kann. Auch eine Regelung der Stellgeschwindigkeit würde sich sehr schwierig gestalten, da die Kraft des Antriebs von der Ankerposition abhängt.

Ausblick


Beim allein auf Reluktanzkräften basierenden Antrieb ist das Verbesserungspotential gering. Um mehr Kraft bei geringerer Stromaufnahme zu erzielen, werde ich einen Antrieb auf Permanentmagnete umbauen. Natürlich werde ich die Unterschiede zur bisherigen Bauart ausführlich erörtern.


2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für die vielen Beschreibungen zum Weichenantrieb von Märklin. Sie sind für das Verständnis sehr hilfreich. Aber was mir noch nicht so klar ist: Wie viel Strom zieht nun so ein Weichenantrieb mit dem Weichendecoder zusammen, wenn er über die CS 2 geschaltet wird?

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    1. Das hängt vom ohmschen Widerstand des Antriebs und von der Betriebsspannung der Anlage ab. Der Decoder selbst nimmt nur sehr wenig Strom auf, ich schätze, das wird im einstelligen mA-Bereich liegen. Der Eigenbedarf des Decoders ist während des Schaltvorgangs also komplett vernachlässigbar.

      Beim C-Gleis habe ich 1,2 A Stromaufnahme gemessen. Je nach Zentrale und Decoder kann sich das Ergebnis aber stark unterscheiden.

      Übrigens spielt auch der Spannungsabfall im Decoder selbst eine Rolle. Der Strom muss über einen Gleichrichter und mindestens einen Transistor fließen. Beim WeichEi macht das etwa 3,5 V aus (gerechnet, nicht gemessen).

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