Montag, 23. März 2015

Decoder für Memorydraht-Antriebe

In den Neunziger Jahren produzierte die Firma Brawa Signale und Bahnübergänge mit dem sogenannten Memory-Antrieb. Sie bewegen sich vorbildnah langsam und außerdem sehr leise. Leider sind sie mittlerweile aus dem Sortiment verschwunden.


Zum Betrieb war ein spezieller Trafo mit 1,1 V Ausgangsspannung nötig. Für den Digitalbetrieb hätte man einen teuren Relaisdecoder benötigt. Dieser Aufwand dürfte viele Kunden abgeschreckt haben. Dass es auch einfacher geht, zeige ich mit einem Decoder auf Basis des bekannten WeichZwei.

Aufbau des Vorsignals 8534


Der Memoryantrieb ist der einfachste Antrieb überhaupt. Nur zwei Drähte führen zum Signal. Der eine ist aus einer Nickel-Titan-Legierung und schaltet das Signal auf Vr1 (Fahrt erwarten), sobald er erwärmt wird, der andere ist aus Federstahl und dient als Rückstellfeder.

Das Vorsignal mit geöffnetem Antriebskasten

Der Memorydraht verhält sich wie ein ohmscher Widerstand. Seine einzige Besonderheit ist, dass seine Impedanz durch die Verformung sinkt - er wird ja breiter und kürzer, wenn er sich zusammenzieht. Aber dieses Detail können wir vernachlässigen.

Die beiden Glühlampen sind parallel geschaltet und teilen sich einen Vorwiderstand. Es hat anscheinend auch abweichende Ausführungen gegeben, denn in der  Betriebsanleitung ist für den Vorwiderstand ein Wert von 1 kΩ angegeben. Vermutlich waren in dieser Variante die Birnchen in Reihe geschaltet.

Schaltplan des Vorsignals 8534

Ein solches Signal direkt aus dem Gleis zu speisen wäre sehr ineffizient. Bei 16 V und 30 mA nimmt die Beleuchtung eine Leistung von 480 mW auf. Davon entfallen allein 459 mW auf den Vorwiderstand. Der Memorydraht würde die Spannungsversorgung mit 4000 mW belasten, aber davon kämen nur 275 mW im Draht selbst an.

Kein Wunder, dass Brawa einen Spezialtrafo anbot, mit dem auf Vorwiderstände verzichtet werden konnte. Aber teppichbahntauglich war diese Lösung nicht. Zeit also, eine geeignete Elektronik zu entwickeln!

Grundsätzliches zum Decoder


Der Signalantrieb braucht Strom, solange das Signal auf Vr1 (Fahrt erwarten) steht. Wird der Strom abgeschaltet, fällt es auf Vr0 (Halt erwarten) zurück. Der Decoder muss also Dauerstrom liefern. Es ist aber auch sinnvoll, Relaisausgänge vorzuhalten, falls man beispielsweise eine Zugbeeinflussung umsetzen will. Daher orientierte ich mich an WeichEi und WeichZwei, die genau dieses Einsatzspektrum abdecken.

Als Mikrocontroller wurde der PIC 12F629 direkt übernommen. Für ihn gibt es verschiedene Firmwares, die dem Bedarf angepasst werden können. Ich entschied mich für wz_schalten. Auch die originale WeichEi-Software ist geeignet, falls man ein zweispuliges, bistabiles Relais und einen Memorydraht betätigen will. Der Memorydraht kommt dann an den Laternenausgang.

Der fertige Decoder

Der neue Decoder ist so geformt, dass er sich unter das C-Gleis einklipsen lässt. Die Halterungen sind vorhanden und ursprünglich für die Anschlussgarnitur 74046 gedacht. Die weiteren Veränderungen dienen dazu, die Effizienz zu verbessern.

Modifikation der Ausgänge


Bei der Endstufe ist die erste große Veränderung nötig: Am originalen Treiber ULN2003AD fallen im Durchlassbetrieb ca. 1,1V ab. Das fällt bei einem Doppelspulenantrieb kaum ins Gewicht, aber beim Memorydraht schon. Der Treiber würde also soviel Energie verheizen wie der Memorydraht selbst.

Zum Glück gibt es eine Alternative: Der ULN2003LVDR kommt mit 0,3V aus. Noch effizienter wären diskrete Mosfets, aber ich wollte nicht auf die integrierten Freilaufdioden verzichten. Man muss beachten, dass der neue Treiber weniger robust ist als der alte: Die Sperrspannung beträgt nur 8 V, der maximale Strom pro Ausgang 140 mA. Daher müssen für den Memorydraht stets zwei Ausgänge parallel geschaltet werden. Der einzige Ausgang, bei dem das nicht passiert ist (weil der Treiber nur insgesamt sieben Ausgänge hat) ist durch sein rundes Lötpad gekennzeichnet.

Übersicht über die Decoderein- und -ausgänge.

Für Relais steht ein Ausgang mit  5 V zur Verfügung, der mit bis zu 150 mA belastet werden kann. Der Memorydraht wird über einen zweiten Ausgang mit 1,25 V und bis zu 600 mA versorgt. Das reicht für zwei zweibegriffige Signale oder ein dreibegriffiges. Auch die Signalbeleuchtung sollte hier angeschlossen werden. Ihr Vorwiderstand kann nun von 510 Ω auf 5 Ω vermindert werden. (Dies gilt nur für das Signal 8534 mir parallel geschalteten Glühlampen.)

Herabsetzen der Spannung mittels Tiefsetzsteller


Diese Maßnahmen wäre sinnlos, wenn ich die Spannung mit einem Vorwiderstand oder Linearregler eingestellt würde, denn diese Elemente können überschüssige Energie nur verheizen. Besser ist ein Tiefsetzsteller. Er erlaubt es, Gleichspannung verlustarm herunterzusetzen, so ähnlich wie es ein Trafo bei Wechselstrom tut; die Arbeitsweise eines Tiefsetzstellers ist jedoch völlig anders.

Schema des Tiefsetzstellers. Der Widerstand R dient nur zur Strommessung.

Die Schaltung kann drei Zustände annehmen:
  1. Transistor leitet, Diode sperrt. An der Spule liegt die Spannung uL = UE - UA an. Der Spulenstrom iL nimmt kontinuierlich zu.
  2. Transistor sperrt, Diode leitet. An der Spule liegt nun die negative Ausgangsspannung an. uL = - UA. Der Spulenstrom nimmt ab.
  3. Transistor und Diode sperren. Der Spulenstrom ist auf 0 gesunken. Falls am Ausgang eine Last hängt, erhält sie ihre Energie aus dem Kondensator CA.
Wie man sieht, ist der Ausgangsstrom kontinuierlich, während am Eingang nur während Phase 1 Strom fließt. Während Phase 2 wird nur Energie abgegeben, die in der Phase 1 überschüssig war und in der Spule gespeichert war. Phase 3 tritt nur bei geringer Last ein.

CE glättet die Eingangsspannung, damit sich das Springen des Eingangsstromes iE möglichst wenig auf den Rest der Anlage auswirkt. CA glättet die Ausgangsspannung, damit sich das Steigen und Fallen des Spulenstromes möglichst wenig auf die Last auswirkt. Er ist auch für die Regelung der Spannung notwendig.

Der Leistungsschalter T und seine Ansteuerung sind im IC MC34063 enthalten. Ergänzt werden müssen noch die Induktivität, die Diode und die Kondensatoren. Eine Stückliste mit Bestellnummern findet man im Downloadbereich.

Auch das Platinenlayout muss den besonderen Ansprüchen des Tiefsetzstellers angepasst sein. Bei der Frequenz von 66 kHz ist die Vermeidung von Störstrahlung ein wichtiges Gebot. Die Komponenten müssen nahe beieinander sitzen, um nur keine Leiterschleifen aufzuspannen. Eine Kupferfläche auf der Rückseite dient der Abschirmung.

Halterung des Signals


Mit seinem schmalen Antriebskasten fällt das Brawasignal leicht um. Damit ich es nicht an meinem Teppich festschrauben muss, habe ich eine kleine Halterung gelasert, die es mit dem Gleis verbindet.

Das einsatzbereite Signal mit Decoder

Märklins 27-cm-Schnellzugwagen kommen auch im Radius 1 auch am Signal vorbei. Noch schöner wäre es natürlich, wenn die gesamte Elektronik im Antriebskasten Platz fände. Bei der Miniaturisierung der elektronischen Komponenten gibt es noch großes Potential.

Erprobung


Die Teile des Decoders, die mit geringen Veränderungen vom WeichZwei übernommen wurden, funktionierten von Anfang an. Der Tiefsetzsteller machte ein paar Verbesserungen nötig:

  • Die ursprünglich verwendeten Keramikkondensatoren erzeugten während des Betriebs ein hohes Zirpen. (Im obigen Video ist das noch hörbar.) Die nun verwendeten Tantal-Kondensatoren sind teurer und sperriger, aber sie zirpen nicht mehr.
  • Die Ausgangsspannung von 1,25V ist immer noch etwas zu hoch. Der Memorydraht erwärmt sich zu schnell und das Signal schaltet zu schnell um. Vorerst habe ich das Problem mit einem Vorwiderstand von 1Ω gelöst. Nun bewegt sich die Scheibe in beide Richtungen vorbildgerecht langsam.
Um den Decoder weiter zu perfektionieren, sollte ich nach Alternativen zum MC34063 suchen. Seine Ausgangsspannung lässt sich nämlich nicht auf weniger als 1,25V einstellen. 1,0V wären optimal. Mit einer besseren Ansteuerung, die keine niederfrequenten Schwingungen erzeugt, könnte ich auch wieder zu Keramikkondensatoren zurückkehren. Und auch die Schottkydiode ist nicht mehr zeitgemäß. Man würde an ihrer Stelle einen zweiten Mosfet einsetzen, der noch weniger Durchlassverluste aufweist.

Dennoch bin ich mit dem Decoder zufrieden, denn das Ziel, den Memoryantrieb tauglich für die Teppichbahn zu machen, habe ich erreicht.

Bewertung des Memoryantriebs


Ich finde es schade, dass die Memorytechnik im Modellbau schon wieder verschwunden ist. Alleine schon die Optik der Stelldrähte gibt das Vorbild besser wieder als jeder andere Antrieb - und wenn das Modell nicht nur in der Optik, sondern auch in der Funktion das Vorbild widerspiegelt, dann schlägt das Herz des Modellbauers höher. Auch der geräuschlose Betrieb fasziniert.

Die feinen Antriebsdrähte tragen sehr zur optischen Wirkung des Signals bei.

Eine zeitgemäße Ausführung hätte ab Werk den Decoder im Antriebskasten. Damit wäre das Signal so einfach anzuschließen wie jedes andere; sein Hauptnachteil wäre ausgeräumt. Zur Zugbeeinflussung wäre aber weiterhin ein separates Relais nötig. Weitere sinnvolle Neuerungen wären ein Ersatz der stromhungrigen Glühlampen durch LEDs und eine Halterung aus Stahlblech, mit der das Signal am Gleis fixiert werden kann.

Ausblick


Zum Memoryantrieb und seinem Decoder gibt es noch viel zu schreiben. Unter anderem:

  • Welchen Wirkungsgrad der Tiefsetzsteller hat und wieviel Strom er verbraucht
  • Welche Signale mit Memoryantrieb es noch von Brawa gab
  • Wie man mit verschiedenen Firmwares verschiedene Betriebssituationen abdeckt
  • Wie man mit einem Relais Zugbeeinflussung verwirklicht
  • Wie man dreibegriffige Signale am besten ansteuert

Im Mai wird ein Artikel erscheinen, der einige dieser Fragen beantwortet.

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